Die Zeiten, wo ein/e Arbeitgeber/in aus einer Fülle von gut qualifizierten Bewerbenden wählen konnte, gehören – mit Ausnahme einzelner Branchen – definitiv der Vergangenheit an. Nahezu jede Branche in jeder Region beklagt den Mangel an „Fachkräften“. Demografisch war das lange absehbar, denn die Geburtenzahlen haben sich seit 1964 (1.357.304) kontinuierlich verringert. Der Tiefststand wurde 2009 verzeichnet: 665.126 Kinder erblickten das Licht der Welt. Sie sind nun 10 Jahre alt und stehen frühestens in sechs Jahren als Auszubildende zur Verfügung. Demografisch ist das alles absehbar. Dies auch, weil die altersbedingt ausscheidenden Menschen mehr waren als die in das Arbeitsleben neu hineinwachsenden Menschen. Und die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht zweimal im Jahr ihre Fachkräfteengpassanalyse, die angibt, wie lange es im Durchschnitt dauert, bis eine ausgeschriebene Arbeitsstellte tatsächlich neu besetzt werden konnte: 113 Tage waren es im Dezember 2018 im Durchschnitt.

Glaubt man der (nicht-repräsentativen) Online-Befragung des Vereins ‚Demografie Exzellenz e. V.‘ im Rahmen der Studie „Trendbarometer 2018“, so hatten gerade einmal 9,3 Prozent der befragten Unternehmen ein eigenes Budget für demografieorientierte Maßnahmen. Für Prof. Dr. Uwe Schirmer, Vorstandsmitglied des Vereins ‚Demografie Exzellenz e. V.‘ und Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach, „unterstreicht diese Zahl eindrucksvoll die Verkennung der strategischen Dimension dieser Herausforderung“.  Das muss sich nun aber nachhaltig verändern, denn: „Der Fachkräftebedarf wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich verstärken, so dass wir gemeinsam Lösungsideen brauchen“, so Gerhard Wiesler, ebenfalls Vorstandsmitglied und Partner bei Kienbaum Consultants International GmbH.

Den Fachkräftebedarf zu gestalten, heiße demnach drei Aspekte zu sehen: die Gewinnung von Arbeitskräften, das Binden und Halten der Arbeitskräfte sowie die Entwicklung und Fortbildung von Arbeitskräften.

Der seit zehn Jahren jährlich verliehene „Demografie-Exzellenz-Award“ führte stets derartige Lösungsideen zusammen. Beispielhaft seien aus der Kandidatenschar für den ‚Demografie-Exzellenz Award‘ 2018 folgende Bewerbende genannt:

  • Gewinnung von Arbeitskräften: Das in Radolfzell angesiedelte Unternehmen Dr. Walser Dental GmbH wirbt seit 1999 (!) in der Öffentlichkeit durch regelmäßige Veröffentlichungen über das Engagement der Firma. Als „kleines Unternehmen“ sei man darauf angewiesen, in der Region wahrgenommen zu werden,  um sich auf diese Weise auch als attraktiver Arbeitgebender zu präsentieren. Das sei und bleibe die zentrale Herausforderung.
  • Binden und Halten von Arbeitskräften: Für die Diakonie Baden-Württemberg ist die „gesunde Arbeitsgestaltung eine zentrale Voraussetzung für die langfristige Bindung von Mitarbeitenden“. Denn der Bedarf an qualifiziertem und gutem Personal in der Alten-, Behinderten- sowie Kinder- und Jugendhilfe ist sehr groß. Ihr Projekt, mit dem sich die Diakonie um den ‚Demografie-Exzellenz-Award‘ 2018 beworben hat, lautet: „Gesund? Aber sicher! – Das Kompetenznetzwerk Gesundheit“. Das Netzwerk fördert den Wissensaustausch und die Zusammenarbeit aller Akteure und schafft neue Kommunikationsstrukturen und Projekte. Durch die Sensibilisierung zum gesunden Arbeiten steige, so die Diakonie, „die Arbeits- und Mitarbeiterzufriedenheit in den Unternehmen und somit die Bindung an den Arbeitgebenden“.
  • Entwicklung und Fortbildung von Arbeitskräften: Die Zukunft eines Unternehmens hängt auch davon ab, ob es gelingt, die älter werdende Belegschaft für die Herausforderung der digitalisierten Arbeitswelt zu begeistern. Das GARP Bildungszentrum, Plochingen, und die Firma Trumpf GmbH & Co. KG, konnten die Jury mit ihrem Projekt „F4DIA – Fit für die digitalisierte Arbeitswelt“ überzeugen. Dieses Personalentwicklungsprojekt soll das lebenslange Lernen, die Flexibilität und die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden fördern. Gerade kleine und mittlere Unternehmen wenden für Personalentwicklung kaum strategische Ressourcen aus, zudem auch die aktuell gute Auftragslage die notwendige Qualifizierung eher nach hinten dränge. Hier will das Angebot nicht nur motivieren, sondern auch nachhaltig Abhilfe schaffen. Das Projekt ist mit dem ‚Demografie-Exzellenz-Award 2018‘ ausgezeichnet worden.

Ein weiteres gutes Beispiel bietet die in Wiesbaden ansässige Soka-Bau, die Dachmarke der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Dort wurden die demografisch relevanten Fragen strukturiert, systematisch sowie zielorientiert und strategisch angegangen. 2017 wurde das Demografieprojekt gestartet, in dem u. a. die Handlungsbedarfe für eine demografiefeste Personalpolitik identifiziert wurden. Verschiedene Maßnahmenpakete sicherten die Umsetzung dieser Personalpolitik, so zum Beispiel die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität für die Generation Z.  Das wiederum war wichtig, weil eine Analyse der Personalstruktur zuvor offenbarte, dass das Durchschnittsalter schon heute bei 46 Jahren liege und in zehn Jahren viele Fachspezialisten das Unternehmen verlassen haben werden. Ergebnis der Überlegungen war auch eine regionale Offensive zur Steigerung des Bekanntheitsgrades als Arbeitgebender in der Region.

Ob der jeweilige Bewerbende nun einen Preis bekommt oder nicht: „Der Mehrwert“, so Dr. Sabine Voermans, Vorstandsmitglied und Leiterin des Gesundheitsmanagements der Techniker Krankenkasse, „ist das voneinander lernen.“ Denn jede Einreichung sei im Grunde preiswürdig, weil man stets etwas mitnehmen könne. Deshalb erweist sich dieser Preis auch jedes Jahr erneut als Fundgrube zur Lösung der anstehenden demografisch bedingten Herausforderungen.

Verantwortlich: Dr. Winfried Kösters, Tel.: 0049227192858