Wer heute den Begriff „Demografischer Wandel“ hört, verbindet damit zumeist und zuerst die Tatsache, dass es immer mehr ältere Menschen gibt und dass wir alle immer älter werden. Das ist auch richtig. „Gleichwohl ist es mindestens genauso wichtig, die jüngeren Menschen und ihre Lebenswirklichkeiten nicht aus dem Blick zu lassen“, so Dr. Sabine Voermans, Vorstandsmitglied von Demografie-Exzellenz e. V. und Leiterin des Gesundheitsmanagements der Techniker Krankenkasse

Anfang Juni veröffentlichte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Sabine Zimmermann, folgende Zahlen: Ende 2018 lebten 1.952.638 Kinder unter 18 Jahren in sogenannten ‚Hartz-IV-Bedarfsfamilien‘. Das sind zwar 3,7 Prozent weniger als Ende 2017 (2.027.907 Kinder unter 18 Jahren), aber es sind immer noch 14,4 Prozent aller in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren. Kinderarmut lautet das Stichwort.

Wer die gesellschaftliche Diskussion über Armut verfolgt, der wird zustimmen, dass das Thema „Altersarmut“ einen ganz anderen Widerhall findet, als das Thema „Kinderarmut“. Dabei erhalten nur rund drei Prozent aller Rentner/innen Grundsicherung (März 2018: 553.046). Die Geburtszahlen haben sich in den letzten 60 Jahren nahezu halbiert, die von staatlichen Zuwendungen lebenden Kinder und Jugendlichen aber verachtfacht.

Auf dem Hintergrund des demografischen Wandels, wo spätestens 2031, wenn die 1964 geborenen Menschen ihren gesetzlich geregelten Ruhestand erreichen, nur noch jeder zweite Arbeitsplatz wiederbesetzt werden kann, weil die Menschen für die andere Hälfte gar nicht mehr geboren sind, steht ein demografischer Paradigmenwechsel bevor: „Wir brauchen jedes Kind“, so Gerhard Wiesler, ebenfalls Vorstandsmitglied und Partner bei Kienbaum Consultants International GmbH.

Doch nach wie vor hängt in Deutschland der Bildungserfolg stark vom familiären Hintergrund, sprich dem Elternhaus, ab. Wo existenzielle Sorgen überwiegen, wird der Investition in die Bildung der Kinder eher nachrangig betrachtet. So liegen zum Beispiel die Mathematikleistungen von 15-Jährigen aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status im Durchschnitt etwa vier Schuljahre hinter den Leistungen von 15-Jährigen aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status zurück. Die Empfehlung, ein Gymnasium zu besuchen, ist bei Kinder in besser situierten Familien rund 2,5-mal so wahrscheinlich wie bei Kindern aus Arbeiterfamilien – selbst bei gleichen fachlichen Leistungen. 79 Prozent der Kinder aus Akademikerfamilien nehmen ein Studium auf, verglichen mit 27 Prozent der Kinder aus Nichtakademikerfamilien. Fakten, die die Volkswirtschaftswissenschaftler Veronika Grimm und Ludger Wößmann jüngst in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ zusammengetragen haben.

Uwe Schirmer, Vorstandsmitglied und Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach, weist darauf hin, dass in Deutschland nur vier Prozent der Personen mit einer berufsqualifizierenden Ausbildung und sogar nur zwei Prozent der Akademiker arbeitslos seien. „Dem gegenüber stehen nahezu 20 Prozent Arbeitslosigkeit bei Personen ohne berufsqualifizierenden Abschluss.“

Ziel muss es daher sein, diesen Kindern und ihren familiären Umfeldstrukturen so früh wie möglich und so intensiv wie nötig jene Hilfen zukommen zu lassen, die die Chancen auf Bildung nachhaltig erhöhen. So wundert es nicht, dass der Kreisdiakonieverband Künzelsau für sein Projekt „ELSA und LIF – Lernhilfen für Kinder, die mehr persönlichen Kontakt benötigen“ 2018 mit dem Demografie-Exzellenz-Award ausgezeichnet worden ist. Dieses Angebot unterstützt Kinder bereits im Grundschulalter, „um dortigem Schulversagen entgegenzuwirken“ und die Kinder „für Wissenserwerb und Lebenswelt zu begeistern“. Der Betreuungsschlüssel liegt bei 1:3 mit ehrenamtlichen Lernbegleitern, die zwischen 16 und 75 Jahren alt sind und selbst aus unterschiedlichen Biographien stammen.

„Unsere Gesellschaft braucht integrierte und weltoffene Menschen. Dazu gehört gegenseitiger Respekt, Toleranz für Menschen mit Lernbehinderungen, ein Schulabschluss und die Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen. Dieses Projekt steht für diese Chancen.“, zeigt sich Claus Kruse, Vorstandsmitglied und Unternehmensberater überzeugt. Deshalb erweist sich dieser Preis auch jedes Jahr erneut als Fundgrube zur Lösung der anstehenden demografisch bedingten Herausforderungen.

Verantwortlich: Dr. Winfried Kösters, Tel.: 0049227192858