Der demografische Wandel, den wir seit nahezu drei Jahrzehnten (fach-) öffentlich diskutieren, kennt drei Kernbotschaften:

  • Wir brauchen jedes Kind. Es darf kein Talent mehr verloren gehen. Denn wenn der geburtenstärkste Jahrgang in Deutschland (1964: 1.357.304 Geburten) 2031 in den Ruhestand tritt, wird der Jahrgang 2013 (682.069 Menschen) 18 Jahre alt und theoretisch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: nur die Hälfte der frei werdenden Arbeitsplätze kann wiederbesetzt werden. Konkret: Wir brauchen jedes Kind. Ist Wirtschaftsförderung künftig eine Investition in die frühkindliche Bildung?
  • Wir brauchen ein neues Bild von den Alten, vom Altern und über das Alter. Noch nie haben so viele Menschen so lange Rente bezogen wie heute. Noch nie gab es so viele „Generationen“ über 50: die ‚reifen Erwachsenen‘, die ‚Älter werdenden‘, die ‚Hoch betagten‘ und die ‚Langlebigen‘. Dennoch sprechen die meisten immer noch von „den“ Senioren/innen. Brauchen wir künftig Sinnstiftungsagenturen für gesellschaftliches Engagement in jedem Alter?
  • Wir brauchen die Potenziale der Zugewanderten und der künftig Zuwandernden. Noch immer sind zugewanderte Menschen eher arbeitslos, eher abhängig von sozialen Transaktionen des Staates, eher bildungsfern. Eine gelingende Integration sollte daher zur Chefsache in jedem Rathaus werden. Sind Ausländerbehörden künftig gelebte Willkommenszentralen?

Diese Botschaften treffen auf gesellschaftliche Realitäten der Vielfalt, die die Gestaltung der Auswirkungen des demografischen Wandels wesentlich mitbestimmen werden: die Vielfalt der Geschlechter, die Vielfalt der Familienkonstellationen, die Vielfalt der Lebensstile und Milieus, die Vielfalt der Lebenswirklichkeiten und Herkünfte, die Vielfalt der Kulturen und Werte, aber auch die Vielfalt der Fähigkeiten und Talente. Es gibt kein Schwarz-weiß. Die Welt ist bunt.

Wer dem Fachkräftebedarf der Zukunft begegnen möchte, der wird nicht nur den Dreiklang von Personalgewinnung, -bindung und -entwicklung beachten müssen, sondern der wird auch die Vielfalt der möglichen „stillen Reserven“ in den Blick nehmen. Dazu zählen Frauen, ältere Menschen, Zugewanderte, Menschen mit Behinderungen, Langzeitarbeitslose, Jugendliche ohne Schulabschluss, abgebrochene Studierende und Menschen ohne Berufsabschluss.

Dann gilt es noch zu berücksichtigen, dass der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftebedarf den Arbeitsmarkt vollkommen verändern wird: Denn künftig werden die Arbeitnehmenden entscheiden, wo sie für wen zu welchen Bedingungen tätig werden und die Arbeitgebenden werden immer weniger aus einem Pool von Bewerbenden auswählen können, wer in das jeweilige Unternehmen passt. In dem Zusammenhang wird die Frage wichtiger, welche Region wie attraktiv für die jeweilige Fachkraft ist. Wo wird das Konzept der Vielfalt mit Leben gefüllt, damit sich die Menschen, die als Fachkräfte gewonnen werden sollen, auch in ihrer Vielfalt wohl fühlen können, Heimat finden? Bilden künftig strategische Allianzen zwischen Kommunen und Unternehmen den zentralen Zukunftsmotor?

Das Paradigma der Zukunft lautet daher die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft, einer Gesellschaft, die demokratisch die Teilhabe aller so früh wie möglich gestattet. Eine Teilhabe, die gelingt, unabhängig von individuellen Fähigkeiten, Talenten (Handicaps), von den sozialen Lebenswirklichkeiten, den ethnischen Herkünften, dem Alter und dem Geschlecht. Diese Vielfalt spiegelt auch die Vielfalt der Reserven der Fachkräfte wider. Inklusives Denken als Lösungsoption für demografische Wandlungsprozesse?

Es schält sich also zunehmend deutlicher heraus, dass die Gestaltung des demografischen Wandels ohne die strategische Nutzung der gesellschaftlichen Vielfalten nicht gelingen kann. Sie bedingen einander.

Gleichzeitig sind neben dem D für Demografie auch die D’s für Digitalisierung, Diversität und Demokratie zu sehen. Diese vier D’s sind nicht nur miteinander verflochten, sondern bieten auch Lösungen für die jeweils anstehenden Herausforderungen. Dazu braucht es politische Steuerungsinstrumente, über die wir noch nicht verfügen, weil wir in den Köpfen noch in Lösungen und Instrumenten von gestern unterwegs sind für die vielfältigen Herausforderungen von morgen.

Demografische Exzellenz zeigt sich darin, den Willen zur Gestaltung des demografischen Wandels mit der gesellschaftlichen Realität der Vielfalt in ihrer Komplexität zu betrachten und dabei die Vier-D-Herausforderungen der Zeit miteinander zu denken. Diesen Anspruch an die Zukunft wollen wir mit unserem DEMOGRAFIE EXZELENZ AWARD 2020 fördern. Dazu demnächst mehr hier.

Verantwortlich: Dr. Winfried Kösters, Tel.: 0049 2271 92858